Wer kennt es nicht: das Ankommen an einem zuvor sehnlich herbei gewünschten Punkt…? Sei es der Urlaubsort, die neue Wohnung oder das eigene Haus, die Beförderung oder ganz banal das Nachhause-Kommen nach einem langen Arbeitstag. Nun bin ich also da, wo ich hin wollte. Prima. Ich freue mich und genieße eine Weile das erreichte Ziel.
Toll. Herrlich entspannend.
Und dann?
Kommt ein neuer Arbeitstag, ein neues Ziel, der nächste Urlaub. Alles noch mal von vorn, den manchmal beschwerlichen Weg noch einmal gehen, Hindernisse aus dem Weg räumen oder wenn’s gut läuft, leichtfüßig über sie hinwegspringen.
Irgendwo ankommen ist wunderbar. Ich selbst genieße es außerordentlich, eine Etappe geschafft zu haben, kurz verschnaufen zu dürfen und dann: weiterzugehen. Ankommen ist auch immer ein Sich-wieder-auf-den-Weg-machen. Denn eines durfte ich – manchmal auf unsanfte Art – lernen: Stillstand ist nicht. Und wenn, dann nur kurz. Leben ist Veränderung. Ständig. Selbst du veränderst dich in dieser Sekunde. Eine Zelle stirbt, eine neue wächst. Es ist ein ständiges Kommen und Gehen, in jedem Organismus auf dieser wunderbaren Erde und das zu jeder Zeit. Ich gebe es gerne zu, ich habe es natürlich schon versucht, mich auf Erfolgen auszuruhen. Einfach mal stehenzubleiben und der Welt den Rücken zu kehren. Funktioniert, aber nicht auf Dauer. Das Leben holt dich ein, ob du es willst oder nicht.
Auch die Ankunft von Gottes Sohn beinhaltete ja schon Veränderung. Aus dem Baby wurde ein Junge und später ein Zimmermann, der als Missionar durch die Lande zog und später gehetzt und zu Tode gequält wurde. Selbst dieses Ankommen war nicht das Ende – denn er stand ja wieder auf! Um in Richtung Himmel zu gehen und das Wunder des Lebens für alle sichtbar zu machen. Und Jesus hatte ein Geschenk dabei. Es gibt eine Konstante, die vom Anbeginn der Zeit unveränderlich ist. Die immer da ist. Selbst wenn sie mal verschütt gegangen ist, ist sie trotzdem da: die Liebe. Dieses Gefühl von: Ich darf da sein. Genau hier. Ich bin richtig, so wie ich bin. Ich bin geliebt und diese Liebe hört niemals auf.
Liebe ist kein Ziel, sie ist ein Gefühl, vielleicht auch ein Zustand (in den ich mich bewusst begeben kann). Wenn ich irgendwo für immer ankommen (und nie wieder weggehen) möchte, dann in der Liebe. Alles andere ist unstet, ständig in Bewegung und Veränderung. Doch dieses Eine bleibt. War da, ist da, wird immer da sein. Je länger ich darüber nachdenke, desto wundervoller erscheint es mir. Ein Geschenk, so wie Jesus eines war und es dabei hatte. Er ist angekommen – und mit ihm die Liebe auf Erden.
Kolumne für den Gemeindebrief Dom zu Lübeck, Winter 2019
Setze immer einen Fuß vor den anderen, um ein Ziel zu erreichen. So erklären viele Ratgeber den (langfristigen) Weg zum Erfolg. Klingt ja auch plausibel, oder? Einfach Schritt für Schritt in die
Richtung gehen, die ich auserkoren habe. Sei es im privaten oder beruflichen Kontext.
Gut ist es da natürlich, ein klar definiertes Ziel zu haben. Doch das gibt es nicht immer. Oder es kommt etwas Unvorhergesehenes dazwischen. Möchte ich beispielsweise eine Familie gründen,
brauche ich den passenden Partner dafür. Nicht allen ist es vergönnt, diesen auch „rechtzeitig“ kennenzulernen. Oder es klappt aus anderen Gründen nicht. Vielleicht hat da jemand etwas Anderes
für einen vorgesehen?! Besser planen lassen sich berufliche Ziele: Will ich die Karriereleiter hinaufsteigen? Oder bin ich glücklicher als ganz normaler Arbeitnehmer? Oder am liebsten gar mein
eigener Chef? Es lassen sich verschiedene Wege gehen, um dies herauszufinden. Und immer gibt es die Möglichkeit, einen anderen Pfad einzuschlagen und/oder wieder zurück auf Anfang zu gehen.
Einmal innehalten, durchatmen, den bisherigen Weg überdenken und möglicherweise die Schritte neu setzen.
Gehen – das bedeutet im Allgemeinen ein Vorwärtskommen. Manchmal mag ich es aber auch ganz bewusst zu gehen, ohne dabei ein Ziel vor Augen zu haben. Sei es am Strand, zu welcher Jahreszeit auch
immer, durch den Wald oder auch ziellos durch die Stadt. Ein solches Gehen erdet, nicht umsonst ist Pilgern und Wandern bei uns stressgeplagten Deutschen immer beliebter. Der Kopf wird frei, die
Atemzüge werden langsamer und tiefer, die Gedanken können selbst auf Wanderschaft gehen.
Und oft beinhaltet Gehen auch Loslassen. Wenn ein Mensch fortgeht ist er aus unserem Leben verschwunden. Zumindest aus dem sichtbaren Leben. Im Herzen tragen wir ihn oder sie weiter, sei es im
Gedenken oder als Erinnerung an eine schöne Zeit, die aus welchen Gründen auch immer ihr Ende gefunden hat. Doch auch ich kann fortgehen, um beispielsweise eine Situation zu verlassen, die mir
nicht mehr gefällt. Auch dann muss ich loslassen, was nicht immer leicht ist.
Das schwerste Loslassen ist meiner Meinung nach einen geliebten Menschen in den Himmel gehen zu lassen. Denn er oder sie kommt definitiv nicht mehr zurück, die Person ist einfach weg. Gegangen.
Und wir können nicht hinterher, zumindest nicht jetzt, um noch schnell den letzten Streit zu beschwichtigen, um Lebewohl zu sagen, um eine letzte Umarmung zu geben und einzuholen. Dieses alles
können wir dann nur noch in unserem Herzen und unserem Geist tun.
Drum wähle deine Schritte mit Bedacht und lasse sie von deinem Herzen inspirieren. Am Ende zählen nicht die geleisteten Kilometer, sondern all die Meter, die ich in Richtung meines wahrhaftigen
Selbst gegangen bin.
Wer sein Leben zu erhalten sucht, der wird es verlieren; und wer es verlieren wird, der wird es gewinnen. (Lukas 17, Vers 33)
Kolumne für den Gemeindebrief Dom zu Lübeck, Sommer/Herbst 2019
Wohl kaum jemand kennt die Passage nicht, in der Goethes Faust zu Mephistopheles spricht: „Werd ich zum Augenblicke sagen: / Verweile doch! Du bist so schön! / Dann magst du mich in
Fesseln schlagen, / Dann will ich gern zugrunde gehn!“ Manche leiten daraus ab, dass der schöne Augenblick für immer dableiben soll. Das klingt aber auch zu verlockend.
Wie wir alle wissen, hält das Leben nicht nur schöne Augenblicke bereit. Es gibt dunkle, traurige Momente. Oder auch einfach nur doofe. Die wiederum von lichten und schönen Zeiten abgelöst
werden. Manchmal beschleicht mich durchaus das Gefühl, das Leben ist wie eine Wellenbewegung: mal hoch, mal tief und dann gibt es noch die unendliche Weite in diversen Schattierungen
dazwischen.
Glück kann der Mensch nicht festhalten, so sehr er es sich auch wünscht oder es versucht. So ähnlich sehe ich es mit den schönen Augenblicken. Sie kommen – und gehen. Ich gratuliere denjenigen,
die es voll auskosten können, wenn so ein schöner, manchmal gar magischer, Moment auftaucht. Aus dem Nichts, ganz plötzlich. Wer sich da nicht von der Arbeit, der ToDo-Liste, den Zweifeln im Kopf
oder der Uhr abschrecken lässt, hat ihn gewonnen. Diesen einen tollen Moment mehr, die schöne Erfahrung. Daraus erwächst neue Kraft, neue Motivation, mit einem Lächeln im Alltag weiter zu
gehen.
Der Sommer macht es uns leicht, in unzähligen schönen Augenblicken zu verweilen. Es ist warm, die Sonne scheint (meistens), der See und das Meer locken mit einem Sprung ins kühle Nass. Wir haben
mehr Zeit, mehr Liebe (gefühlt), sind mehr draußen, treffen uns öfter mit Freunden. Buchen unser Lebenskonto mit schönen Augenblicken auf, von denen wir oft noch in der dunklen, tristen
Jahreszeit zehren.
Ich persönlich mag den Frühling und den Sommer sehr. Das Leben lebt sich leichter. Doch je mehr ich an Lebensjahren zähle, schätze ich auch die „unschönen“ Augenblicke. Die, durch die ich nur
schweren Fußes komme, die, die sich zäh anfühlen. Als ich anfing, mich intensiv mit meinem Glauben zu beschäftigen, begeisterte mich das Lied von Arno Pötsch, das er an Psalm 139 anlehnte: „Du
kannst nicht tiefer fallen, als nur in Gottes Hand, die er zum Heil uns allen barmherzig ausgespannt. Wir sind von Gott umgeben, auch hier in Raum und Zeit, und werden sein und leben in Gott in
Ewigkeit.“
Ich fühlte mich, als ob ein riesengroßer Stein von meinem Herzen fiel, den ich schon lange mit mir herumschleppte. „Ach ja, stimmt! Gott ist da und fängt mich auf!“ Seitdem gehe ich durch alle
meine Erfahrungen, die schönen wie die unschönen, mit der Gewissheit, dass mir nichts Schlimmes passieren wird. Und wenn doch, werde ich gehalten und getröstet. Es ist jemand da, der größer ist
als ich. Dem ich vertrauen kann. Vollkommen. Und manche Erfahrungen fühlen sich auch nur zäh an, weil ich gerade etwas lerne, das wichtig für mein weiteres Leben ist. Und wenn sich die Frucht
dieser Saat dann später (manchmal erst nach Jahren…) zeigt, dann ist genau das für mich der schönste Moment. Denn es war, nein es ist nichts umsonst. Jede Erfahrung zählt, jede Erfahrung kann gut
für mich sein, aus jeder kann ich gestärkt hervorgehen. Und so kann ich die wirklich schönen, wundervollen, herzerwärmenden, magischen Momente umso mehr genießen.
Kolumne für den Gemeindebrief Dom zu Lübeck, Frühjahr 2019
Leuchten. Was für ein schönes Wort. Ist es nicht ein tolles Kompliment, wenn jemand sagt: „Du leuchtest heute aber richtig“? So von innen heraus. Und steht es nicht auch in einem Lied: „Tragt in die Welt nun ein Licht“? Natürlich kann damit eine Kerze gemeint sein, aber auch das innere Licht.
Rund um Weihnachten lieben wir es, uns mit Kerzen zum umgeben und unendlich viele Lichter anzuzünden. Sie erhellen die dunkle Zeit, wärmen uns und bereiten uns auf das Fest vor. Doch auch nach Weihnachten leuchtet es weiter. Das Licht strahlt in das neue Jahr hinein, das vor uns liegt. Der Schnee, der über Nacht gefallen ist und morgens die Welt erhellt. So neu, so unverbraucht. Frisch.
Manchmal, wenn die Zeiten sehr stressig und turbulent sind, versuche ich innezuhalten und mein eigenes Leuchten wieder zu finden. Ich kann es sehr gut fühlen – wenn ich ruhig und geborgen bin. Wenn sich aber gerade die Welt schneller dreht, als mir guttut, das Arbeitspensum fast endlos scheint und mein innerer Stresspegel ebenso, setze ich mich in meinen Lieblingssessel und tue nichts. Schaue den Wolken zu. Lasse meine Gedanken frei. Fühle mein Herz klopfen und wie es sich langsam beruhigt. Dann kommt das Wissen wieder zu mir, dass ich einen Kern in mir trage, der unantastbar ist. Der nicht zerstört werden kann, von niemandem. Auch von mir selbst nicht. Und der leuchtet – immer. Gottes Funke.
Ich bin so froh, dass ich ihn entdeckt habe. Ich wünsche es jedem Menschen, jedem Mann, jeder Frau und jedem Kind, dass sich dieser Funke ihnen offenbart. Dass sie ihn fühlen und ganz tief in sich spüren können. Dann kann die Welt so sein wie sie ist – das Innere leuchtet einfach und ist jederzeit als Kraftquelle verfügbar. Und so wissen wir auch, wenn die dunkle Jahreszeit uns wenig Sonne schenkt, dass das Licht bald schon wiederkommt. Wenn wir nicht nur den Blick auf das legen, was uns fehlt – auf den Mangel, so können wir auch in den dunkleren Zeiten das Leuchten des Lebens erkennen. Schau in die Augen des Menschen, den du als nächstes auf der Straße triffst und lächle. Einfach so. Was glaubst du, was passiert? Er lächelt zurück und seine Augen leuchten. Beobachte die Regentropfen, die am Fenster hinunterrollen. Oder die Schneeflocken, die sanft vom Himmel auf den Boden schweben. Die Vögel, wie sie nach Nahrung suchen (vielleicht stellst du ihnen auch ein Vogelhäuschen auf) und merkst dabei vielleicht, dass alles irgendwie perfekt „gemacht“ ist. Ein Zahnrad greift in das nächste, jede und jeder hat seine Bestimmung.
Laden wir das Leuchten in unser Leben ein, damit es unsere Gedanken erhellt und unsere Seele wärmt.
Kolumne für den Gemeindebrief Dom zu Lübeck, Herbst/Winter 2018
Etwas anfangen. Neues beginnen. „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“ (Hermann Hesse). Dem kann ich nur zustimmen! Jeden Tag fangen wir von vorne an. Schlagen jeden Tag aufs Neue die Augen auf, sehen aus dem Fenster, hören die Vögel zwitschern, lassen uns von den ersten Sonnenstrahlen kitzeln und freuen uns auf den Tag.
Manchmal durchleben wir große Veränderungen in unserem Leben und die laufen nicht immer reibungslos ab. Hier die Veränderung als Chance zu sehen und daran zu glauben, dass mein Leben nach ihr noch besser ist, als es jetzt schon ist - das ist in meinen Augen die Kunst. Man kann ja nie wissen, wie etwas am Ende ausgeht, nicht wahr? Das Wissen, dass ich beschützt und behütet bin, dass Veränderungen auch wieder verändert werden können, dass ich frei in meinen Entscheidungen bin und dass mir geholfen wird auf meinem Weg - das alles spornt mich an. Ich bin motiviert zu leben. Weil ich es liebe zu leben. Und tauchen Probleme auf, über die ich mich früher geärgert habe, nehme ich diese heute ganz bewusst als Herausforderungen an.
Danach tanze ich: auf das Leben und jeden neuen Tag, an dem ich neu anfangen kann. Wie früher, als ich klein war und ebenso wie Pastor Martin Klatt vor Vorfreude auf die großen Ferien kaum schlafen konnte. Ich finde es spannend, die kindliche Sichtweise für mich neu zu entdecken. Eine meiner Lieblingsstellen in der Bibel lautet: „Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr keinesfalls in das Reich der Himmel hineinkommen” (Matthäus 18,3). Leichtigkeit, Freude, Heiterkeit - was gibt es Schöneres? Mich daran zu erinnern, dass mit Unbeschwertheit Herausforderungen leichter zu meistern sind, hilft mir. Und wenn ich die Welt mit den Augen eines Kindes betrachte, wird sie magisch und manchmal richtig zauberhaft.
Ich bin erwachsen und gehe meinen täglichen Pflichten nach. Und trotzdem darf ich auch Kind sein. Mich im Spiel verlieren, malen, basteln, toben. In den Himmel schauen und Bilder in den Wolken entdecken. Barfuß durch den warmen Sommerregen laufen und in Pfützen springen. Schabernack treiben. Wenn ich mit meinen Neffen und Nichten zusammen bin, geht mir das Herz auf. Ihr Blick - voller Vertrauen, keine Spur von Angst. Habe eine kleine Wunde am Finger, pusten sie den Schmerz weg und in ihren Augen liegt absolute Anteilnahme. Sie schauen zu, wie die Fische im Aquarium hin und her flitzen und quietschen vor Vergnügen. Sie lieben das Leben von Geburt an. Wir auch. Lasst uns das Leben jeden Tag voller Freude neu beginnen!
Kolumne für den Gemeindebrief Dom zu Lübeck, Frühjahr 2018